• Zugehört! Der Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

    Kritik und Anerkennung: Bundeswehr und Gesellschaft

    Wie steht es um das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft? Erhalten Soldatinnen und Soldaten die Anerkennung, die sie sich wünschen? Welche Rolle spielt der Veteranentag? Darüber sprechen Oberstleutnant Marcel Bohnert und Dr. Timo Graf mit Major Gutzeit. Sie geben Einblicke in die Herausforderungen, aber auch Chancen, die sich aus der Zeitenwende und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr ergeben.

    Ein Tag wird zur Brücke

    Ab 2025 wird es in Deutschland jedes Jahr am 15. Juni einen Veteranentag geben. Für Oberstleutnant Marcel Bohnert ist das ein wichtiger Schritt, um die Bundeswehr stärker in die Gesellschaft einzubinden. Er bezeichnet die Bundeswehr gar als „Blackbox“, die sich mit diesem Instrument für die Bevölkerung etwas öffnen lässt. Die Bedeutung des Veteranentags wird auch durch Daten aus der Bevölkerungsumfrage des ZMSBw untermauert: Direkte Kontakte zwischen der Bevölkerung und der Truppe werden meist positiv erlebt und verbessern die Wahrnehmung der Bundeswehr, so der Leiter der Bevölkerungsbefragung, Dr. Timo Graf. Die Bevölkerung hat eine positive Einstellung zur Bundeswehr, dennoch nehmen viele Soldatinnen und Soldaten die öffentliche Meinung anders wahr. Dr. Graf verweist jedoch auch darauf, dass es hierbei wichtig ist, zwischen der Kritik an militärischen Einsätzen und dem Bild von der Bundeswehr in der Bevölkerung zu unterscheiden. So habe die Gesellschaft ein positives Bild von der Bundeswehr als Institution, kritisiere aber oft die beauftragten Einsätze. Für die Soldatinnen und Soldaten, die sich stark mit diesen Einsätzen identifizieren, führe dies zu einem Paradoxon: Hohe Anerkennung der Bundeswehr, aber Kritik an den Missionen.

    Zeitenwende? Nicht wirklich

    Angesprochen auf die Zeitenwende nach dem russischen Angriff auf die Ukraine betont Dr. Graf, dass es in der Beziehung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft keine Zeitenwende gegeben habe. Denn die Gesellschaft habe ihre Bundeswehr „eigentlich schon immer ein Stück weit lieb gehabt“. Lediglich die Bedrohungswahrnehmung in der Bevölkerung habe sich verändert: Die Zustimmung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben ist seit 2022 stark gestiegen. Die Bevölkerung räumt der Landes- und Bündnisverteidigung nun eine größere Bedeutung ein.

    Oberstleutnant Bohnert und Dr. Graf betonen abschließend die Notwendigkeit, die Bundeswehr in der Bevölkerung noch stärker zu verankern. Gut informierte Bürger unterstützen viel eher die Auslandseinsätze der Bundeswehr als wenig oder schlecht informierte. Eine bessere Informationsarbeit der Bundeswehr ist daher auch ein Schlüssel, um das Verständnis und die Unterstützung der Bevölkerung zu stärken.

    Gesprächspartner

    Marcel Bohnert ist Oberstleutnant im Generalstabsdienst der Bundeswehr und stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes. Der Deutsche Bundeswehrverband ist ein unabhängiger Verein zur Wahrung der Interessen von Soldatinnen und Soldaten.

    Dr. Timo Graf ist Wissenschaftlicher Oberrat im Forschungsbereich Militärsoziologie am ZMSBw. Er forscht zur öffentlichen Meinung der Bundesrepublik Deutschland und legt den Fokus auf Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

    Major Michael Gutzeit ist Leiter der Informationsarbeit des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw).

    Die Schutzstaffel der NSDAP

    Auch fast 80 Jahre nach Ende des NS-Regimes ist die Unkenntnis über die Schutzstaffel noch groß. Was war diese Organisation? Welche Rolle spielte sie im NS-System? Wer waren ihre Mitglieder? Für welche Verbrechen war die SS verantwortlich? Antworten auf diese Fragen gibt Prof. Dr. Jan Erik Schulte von der Gedenkstätte Hadamar und der Ruhr-Universität Bochum im Gespräch mit Oberst PD Dr. John Zimmermann vom ZMSBw.

    Die Entstehung der Schutzstaffel

    Die SS war eine nationalsozialistische Organisation in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus, die vor allem Adolf Hitler als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente. Die SS wurde am 4. April 1925 von Hitler als persönliche Leibgarde in München gegründet, übte aber zudem den parteiinternen „Polizeidienst“ aus. Sie unterstand zunächst der SA. Der sogenannte Reichsführer SS Heinrich Himmler war ab 1927 entscheidend für die Ausformung als Macht- und Terrorinstrument. Am 30. Juni 1934 liquidierte die SS im Rahmen des sogenannten Röhm-Putsches die Führung der SA. Als Ergebnis dieser Aktionen erreichte die SS die Eigenständigkeit innerhalb der NSDAP. Da sie sich bereits als „Parteipolizei“ etabliert hatte, gelang es ihr, die Kontrolle über das gesamte deutsche Polizeiwesen zu erlangen und mit der Waffen-SS eine militärische Funktion neben der Wehrmacht zu übernehmen.

    Das Terrorinstrument der Naziherrschaft

    Im NS-Staat war die SS das zentrale Organ für Terror- und Unterdrückung. In ihren Verantwortungsbereich fielen ab 1934 Betrieb und Verwaltung von Konzentrations-, ab 1941 auch von Vernichtungslagern. Sie war sowohl an der Planung als auch an der Durchführung des Holocaust und an iderer Völkermorde vorrangig beteiligt. Während des Zweiten Weltkriegs war sie mit ihren unterschiedlichen Gliederungen darüber hinaus maßgeblich verantwortlich für beispiellose Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung im Deutschen Reich und im besetzten Europa. Seit Kriegsende war sie verboten und wurde in den Nürnberger Prozessen als verbrecherische Organisation eingestuft.

    Die Gesprächspartner

    Jan-Erik Schulte (geboren 1966) ist seit 2014 Leiter der Gedenkstätte Hadamar in Hessen und nach Abschluss seiner Habilitation lehrt er seit 2016 als Privatdozent und seit 2023 als außerplanmäßiger Professor an seiner Alma mater, der Ruhr-Universität Bochum.

    Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust, Internationale Geschichte und die Erinnerungskultur nach 1945 sowie Kanadische Zeitgeschichte. Er ist Verfasser und Herausgeber mehreren Arbeiten zur Geschichte des Nationalsozialismus und insbesondere der SS, zuletzt veröffentlichte er die Arbeit „Mahnort SS-Wirtschafts-Verwaltungs-hauptamt 1942-1945. Verwaltungs- und Terrorzentrale der SS, Berlin/Leipzig 2020. Bereits 2014 gab er zusammen mit Bernd Wegner und Peter Lieb mit „Die Waffen-SS. Neuere Forschungen“ (Paderborn 2014) einen der wesentlichen Sammelbände zu eben jenem Thema heraus.

    Oberst PD Dr. John Zimmermann ist langjähriger Mitarbeiter im ZMSBw. Er ist Leiter des Forschungsbereichs Militärgeschichte bis 1945 und hat zusätzlich einen Lehrauftrag an der Universität Potsdam.

    20. Juli 1944 – Geschichte eines Staatsstreiches

    Die Geschichte der Bombe, die Oberst i.G. im Ge Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ zur Explosion brachte, kennen viele. Weniger bekannt ist, dass auf den versuchten Tyrannenmord auch ein Staatsstreich folgen sollte. Winfried Heinemann und Frank Reichherzer tauchen in dieser Folge von „Zugehört“ tief in die Ereignisse des 20. Juli 1944 und seine Folgen ein. 

    Was geschah noch am 20. Juli 1944?

    Es war spät am Nachmittag des 20. Juli 1944, als Oberst Stauffenberg von der Wolfsschanze in den Berliner Bendlerblock – die Zentrale der Verschwörenden – zurückgekehrt war. Stauffenberg versicherte seinen Mitverschworenen den Tod Adolf Hitlers. Und nun begann nicht nur der Staatsstreich, sondern ein Wettlauf gegen die Zeit. 

    Was hatten die Verschwörenden geplant? Wie gingen Sie vor? Wie reagierte das NS-Regime? Was geschah überhaupt in den chaotischen Stunden des 20. Juli 1944? Was waren die Ziele nach einem erfolgreichen Umsturz? War der Putsch schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt? Und warum brauchte Major Otto Ernst Remer, der von der NS-Propaganda und später von sich selbst gefeierte Held der Niederschlagung des Umsturzes, so lange für die knapp 2,5 Kilometer vom Reichspropagandaministerium – wo er mit dem lebenden „Führer“ telefonierte zum Bendlerblock, 

    Diesen und weiteren Fragen gehen Winfried Heinemann und Frank Reichherzer nach. Die beiden Historiker betrachten das „Unternehmen Walküre“ aus militärgeschichtlicher Perspektive und ordnen den Staatsstreich des 20. Juli in seine breiteren Kontexte ein.

    Die Gesprächspartner

    Oberst a. D. Prof. Dr. Heinemann war langjähriger Mitarbeiter und Chef des Stabes im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Er hat intensiv zum 20. Juli geforscht. Seine Studie zum „Unternehmen Walküre“ ist in deutscher und englischer Sprache erschienen. Er ist Honorar-Professor an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

    Dr. Frank Reichherzer ist Wissenschaftlicher Oberrat am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und Projektleiter des Leitthemas „Militär und Gewalt“. Aktuell forscht er zum Zusammenhang von Militär und Umwelt und hat sich in Lehre und Forschung immer wieder mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschäftigt.  

    Für die Republik! Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold

    Sebastian Elsbach (Universität Jena) und Dennis Werberg (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) sprechen über die größte republikanische Massenorganisation der Weimarer Republik, das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, sein Selbstverständnis und sein Wirken.

    Schild und Stütze der Weimarer Republik

    Vor rund 100 Jahren, nachdem die junge Weimarer Republik im „Krisenjahr 1923“ ihre bisher größte Belastungsprobe überstanden hatte, riefen überzeugte Republikaner im Februar 1924 einen besonderen Verband zum Schutz der Republik ins Leben – das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer“. Mit 1 bis 1,5 Millionen Mitgliedern bildete es in den Folgejahren die weitaus größte demokratische Massenorganisation. Zum einen übernahm das Reichsbanner den Schutz republikanischer Veranstaltungen und trat dabei auf der Straße Republikfeinden von links wie von rechts entgegen. Zum anderen strebte es danach, die Weimarer Demokratie durch die Verbreitung ihrer Symbole landesweit zum Durchbruch zu verhelfen. Als Veteranenverband vereinnahmte es die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg im Sinne der Republik und bot sich der Reichswehr vergeblich als Alternative zu der geheimen Zusammenarbeit mit den rechtsgerichteten Wehrverbänden an. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sah sich das Reichsbanner brutaler Verfolgung ausgesetzt. Ihre Führer gingen teilweise ins Exil, andere schlossen sich dem Widerstand an.

    Das ist das alte Reichspanier,
    Das sind die alten Farben!
    Darunter haun und holen wir
    Uns bald wohl junge Narben!
    Denn erst der Anfang ist gemacht,
    Noch steht bevor die letzte Schlacht!
    Pulver ist schwarz,
    Blut ist rot,
    Golden flackert die Flamme!

     Auszug aus dem Volkslied „In Kümmernis und Dunkelheit“, das in der deutschen Demokratiebewegung während der Märzrevolution von 1848 entstand. Nach der Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold wurde es in den Liederkanon des Verbandes aufgenommen und beschwor den Kampfgeist für die Republik.

    Die Gesprächspartner

    Sebastian Elsbach ist Politikwissenschaftler und Historiker. Als Angehöriger der Forschungsstelle Weimarer Republik an der Universität Jena im Forschungskolleg „Das demokratische Gewaltmonopol der frühen Weimarer Republik, 1918-1924“ hat er vor allem zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold geforscht.

    Dennis Werberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. In seiner Dissertation untersucht er den „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ als antirepublikanische Veteranenorganisation und Sammlungsbewegung, die seit den späten 1920er Jahren in einem zunehmend konfliktgeladenen Verhältnis zur aufstrebenden NSNationalsozialismus-Bewegung stand. Dabei nimmt Werberg auch die Geschichte des Bundes über die Zäsuren von 1933 und 1945 hinaus in den Blick.

    Die Nutzung der Rede des Reichsbanner-Vorsitzenden Dr. Felix Felgentreu am 22. Februar 2024 erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Landtages Sachsen-Anhalt

    Handbuch Innere Führung: Neu gegen alt?

    Die Innere Führung prägt das Selbstverständnis und die Führungskultur der Bundeswehr. Zu ihrer Erläuterung gibt es nun zwei Handbücher: das erste Handbuch von 1957, damals vorrangig für Offiziere gedacht, und seine Neufassung von 2023. Was macht beide Bücher aus und warum brauchte es ein neues? Auf diese Fragen gibt Oberst Börgers aus dem Zentrum Innere Führung Antwort.

    Keine Ablösung, sondern Ergänzung

    Zum 68. Gründungstag der Bundeswehr veröffentlichte das Koblenzer Zentrum Innere Führung das neue „Handbuch Innere Führung“. Das „Geburtstagsgeschenk“ für die Streitkräfte und deren Soldatinnen und Soldaten greift im Titel bewusst auf die Vorgängerversion von 1957 zurück. Die Neuveröffentlichung soll das Original dabei nicht ablösen, sondern ergänzen, denn beide Werke bleiben nebeneinander bestehen und gültig. 

    Russlands Vollinvasion der Ukraine 2022 und die damit einhergehende Zeitenwende machte eine Neufassung nötig. Heute gilt es Innere Führung stärker unter der Prämisse der vollen Einsatzbereitschaft wahrzunehmen. Die Innere Führung sollte mit Blick auf die neuen Herausforderungen „fit für das 21. Jahrhundert“ gemacht werden. Daraus ergab sich für das Zentrum Innere Führung der Auftrag ein neues Handbuchs herauszugeben. Nun kann gemeldet werden: Mission accomplished. 

    Interview

    Oberst Dieter Börgers ist Projektstabsoffizier im Leitungsbüro des Zentrums Innere Führung in Koblenz. Für das neue Handbuch Innere Führung war er Projektoffizier.

    Major Michael Gutzeit ist Leiter der Informationsarbeit des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr).